Lebenssituation im Projektgebiet

Chaling liegt östlich von Kathmandu auf der Südseite der Bergkette, die sich von Nagarkot nach Changu Narayan zieht. Die Häuser des Dorfes liegen verstreut auf dem Berghang.

Kharipati ist ein sehr weitläufiger Ort, die Häuser befinden sich rechts und links der Hauptstraße zwischen Bhaktapur und Nagarkot. Zuweilen muss man von der Schule ein bis zwei Stunden querfeldein gehen, teilweise mit leichten Anstiegen.

In dieser Gegend gibt es kaum befestigten Straßen, meist nur Buckelpisten, die sich zur Not mit Auto oder Motorrad bewältigen lassen. Obwohl Chaling und Kharipati nur ca. 20 km Luftlinie vom Zentrum Kathmandus entfernt liegen, benötigt man mit dem Auto von dort aus zu beiden Schulen etwa zwei bis drei Stunden Fahrt.

In der Regel erledigen die Bewohner der Dörfer die meisten Wege zu Fuß. Bis nach Bhaktapur, der nächstgelegenen Stadt mit einer gut ausgebauten Infrastruktur, Krankenhäusern und Universitäten, muss man aus Chaling ca. eine Stunde bergab wandern. Vom Tal aus, wo sich auch die Schule in Kharipati befindet, gibt es eine Busverbindung.

Alle Einkäufe und Besorgungen werden von der Hauptstraße aus in einem anstrengenden Aufstieg auf schmalen Trampelpfaden nach Chaling oder auf schmalen Feldwegen, vorbei an Reisfeldern und Ziegelfabriken zu den Häusern in Kharipati getragen. Selbst schwere Lasten, wie beispielsweise zum Hausbau, werden auf diese Weise von der nächstgelegenen Straße herangeschafft.

Die meisten Häuser der Dorfbewohner sind aus Ziegeln gemauert und mit Lehm verputzt. Oft tun sich mehrere Familien beim Bau zusammen, sodass ein Haus, ähnlich einem Reihenhaus, mehrere Eingänge besitzt. Die Dächer bestehen überwiegend aus Wellblech auf mehr oder weniger stabilen Holzkonstruktionen.

Ein kleines Vordach ermöglicht es den Bewohnern, sich geschützt vor dem Wetter, im Freien aufzuhalten oder verschiedene Dinge zu trocknen.

Betritt man eines dieser Häuser müssen sich die Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen, denn es gibt nur wenige kleine Fensteröffnungen, die meist mit einem Holzladen geschlossen sind. Wenn man sich etwas orientiert hat, erkennt man, dass das gesamte Erdgeschoss des Hauses aus einem einzigen relativ kleinen Raum besteht. Bei den meisten Familien wird ein Teil davon als Stall für Kühe oder Ziegen genutzt. Eine Ecke bildet die Scheune, wo Stroh, Feuerholz oder sonstige Gebrauchsgegenstände gelagert werden.

Auf der anderen Seite befindet sich die Küche. In gemauerten Nischen stehen einige Metallgefäße, an den Wänden sind sehr einfache Küchengeräte wie Kellen oder Seiher aufgehängt. Gekocht wird überwiegend auf einer offenen Feuerstelle auf dem Lehmboden. Dadurch sind die Behausungen sehr verraucht, die Wände sind rußgeschwärzt, das Atmen fällt schwer. Das Geschirr wird in Plastikwannen vor dem Haus abgespült. Kaum eines der Häuser hat einen Wasseranschluss. Sämtliches Wasser zum Kochen und Waschen muss von den öffentlichen Wasserstellen geholt werden.

Manchmal sieht man in einer anderen Ecke auch noch ein kleines einfaches Spinnrad, mit dem die Hausfrau Baumwolle verspinnt und damit versucht einen kleinen Nebenverdienst zu erwerben.

Eine schmale Holzleiter oder Treppe führt in den ersten Stock. Hier teilt sich der Raum. In einem kleinen Zimmer liegen Matten auf dem Boden oder stehen Betten, in denen alle Familienmitglieder gemeinsam schlafen. Im zweiten Raum befindet sich meist ein klappriger Schrank, in dem der „Familienbesitz" aufbewahrt wird. Das können ein paar Kleidungsstücke für besondere Gelegenheiten, wichtige Dokumente oder Medikamente sein.

Gegenstände und Kleidung des täglichen Gebrauchs werden über kreuz und quer gespannte Wäscheleinen gehängt. Meist befinden sich hier auch Vorratsgefäße für Getreide oder andere haltbare Lebensmittel.

Eine Art Badezimmer oder Toilette sucht man in diesen Häusern vergeblich. Zum Waschen werden die öffentlichen Wasserstellen aufgesucht die Toilette wird in der Natur verrichtet.
Neuerdings gibt es aber ein Programm der Kommunalverwaltung, das die Familien finanziell beim Bau von Toiletten unterstützt. Eigene sanitäre Anlagen verbessern nicht nur den Lebensstandard der Familien, sondern sind auch aus hygienischen Gründen eine wichtiger Fortschritt.

Ebenso sind nur wenige Häuser an das Stromnetz angeschlossen. Wenn Strom vorhanden ist, dann wird damit meist nur eine winzige Glühbirne im Schlafraum betrieben, die gerade mal dazu dient, etwas Orientierung im Dunkeln zu bieten. Technische Geräte gibt es hier selten, vereinzelt ein Fernseher oder ein Transistorradio. Aufgrund der häufigen Stromsperren bringt es allerdings kaum Vorteile Elektrizität im Haus zu haben. Wer es sich leisten kann, hat ein kleines Solarpanel auf dem Dach, um zumindest abends etwas Licht zu haben.

Fast alle Familien besitzen Tiere, wie z.B. ein bis zwei Kühe, Ziegen oder Hühner. Deren Erträge an Milch und Eiern reichen gerade mal aus, um die Familie mit dem Notwendigsten zu versorgen. Ganz selten ist es möglich, ein wenig davon für Cent- Beträge an die Nachbarn oder auf dem Markt in Bhaktapur zu verkaufen.

Genauso steht es mit der Ernte aus der Landwirtschaft. Auf den Feldern um Kharipati und dem steil abfallendem Hügel von Chaling haben die Bewohner kleine Terrassen angelegt, auf denen saisonbedingt Weizen, Mais oder Kartoffeln angebaut werden können. Die Böden sind sehr karg, trocken und haben eine grobe Krume. Der Anbau auf den kleinen Feldabschnitten ist mühsam; alles muss in Handarbeit erledigt werden. Es gibt kein Bewässerungssystem, sodass die Ernte stark von den Wetterbedingungen abhängt. Die Erträge sind, vor allem verglichen mit dem Aufwand, sehr gering und dienen höchstens zur Grundversorgung. Doch selbst wenn eine Familie so viel Weizen erntet, dass sie keinen Hunger leiden muss, ist sie noch weit davon entfernt, sich damit zufriedenstellend und ausgewogen ernähren zu können.

 

Zwischen den Terrassen gibt es wild wachsenden Bäume, Sträucher und Gräser, welche als Viehfutter verwendet werden können. Auch was bei uns als Unkraut ausgerissen würde, ernten die Frauen mit Sicheln, um die Kühe und Ziegen damit zu füttern. Einen richtigen Garten mit unterschiedlichen Nutzpflanzen findet man in der Region nur sehr selten.

Für die Anschaffung von zusätzlichen Lebensmitteln, von Haushaltsgegenständen, Kleidung oder zur Zahlung von Gebühren wird jedoch dringend Bargeld benötigt. Doch leider gibt es in dieser Region kaum Einkommensmöglichkeiten. Einige Familien versuchen es mit Heimarbeit wie dem Verspinnen von Baumwolle oder dem Flechten von Körben. Ansonsten müssen sich die Einwohner als Tagelöhner mit Saisonarbeit verdingen. Dazu müssen sie täglich morgens in das Tal absteigen und abends den Berg wieder hinaufsteigen. Dort liegen die Anwesen wohlhabenderer Farmer, die hin und wieder Erntehelfer beschäftigen.

Die meisten Bewohner Chalings und Kharipatis arbeiten jedoch in einer der zahlreichen Ziegeleien, deren riesige Schornsteine sich wie an einer Kette in der Ebene aufreihen. Die Arbeit dort ist sehr hart. Lehm muss per Hand in die Formen gepresst werden, die Ziegel müssen zum Trockenen ausgelegt, zum Brennen gebracht, danach zum Lagern gestapelt und schließlich auf LKWs verladen werden. Bezahlt wird im Akkord, sodass sich viele Menschen ihre Gesundheit ruinieren, indem sie sich immer größere Lasten aufladen. So werden meist bis zu 30 Ziegel zur gleichen Zeit auf den Rücken gepackt. Kinderarbeit ist zwar auch in Nepal nicht offiziell erlaubt, dennoch ist sie dort weit verbreitet. Von einigen Patenkindern ist uns bekannt, dass sie neben der Schule in Ziegeleien arbeiten. Ziegel können nur in beständig trockenen Zeiten hergestellt werden und damit ist deren Saison auf maximal sechs Monate pro Jahr beschränkt. In dieser Zeit versuchen die Familien so viel Geld wie möglich zu verdienen, denn die schwere Schufterei in den Ziegeleien bietet kein gesichertes Einkommen.

So kommt es, dass die Bewohner dieser Gegend kaum etwas besitzen. Das Geld reicht nicht für Gegenstände von Wert. Jedem Familienmitglied gehören nur wenige Anziehsachen, die z.T. schon gebraucht und zerschlissen sind. Es ist üblich, dasselbe Kleidungsstück über Wochen und Monate zu tragen. Auch Schuhe besitzen die Menschen nur unzureichend. Meistens tragen sie, im Sommer wie im Winter, einfache Plastiksandalen, obwohl die Temperaturen nachts annähernd den Gefrierpunkt erreichen können. Die meisten Kinder hatten zum ersten Mal in ihrem Leben feste Schuhe an, als sie die neue Schuluniform anprobierten. Wenn alles sehr gut läuft, können sich einige Familien einmal pro Jahr ein neues Kleidungsstück leisten, meistens als Geschenk zu einem der großen Feste des Jahres Tihar oder Dashain.

Auch Spielsachen sind den Kindern weitgehend unbekannt. Sie beschäftigen sich mit Dingen des täglichen Gebrauchs, mit den Tieren und mit den Nachbarskindern. Selten sieht man Kinder, die mit einem alten Ball oder Reifen spielen. Dazu haben die Kinder aber auch wenig Zeit. Sie sind in den ganz normalen Familienalltag eingebunden und haben dort ihre Pflichten zu erledigen. So holen sie Wasser mit Kannen vom nächsten Brunnen, sammeln Feuerholz in dem über dem Dorf liegenden Wäldchen oder helfen bei der Haus- und Feldarbeit.